Prof. Peppino Wieternik
1919 - 1979

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Texte zum Künstler




Texte zum Künstler

Albert Paris Gütersloh Auszug aus "Vorwort zur Ausstellungseröffnung Peppino Wieterniks in der Kleinen Galerie" 1957

Peter Baum "Zeugnisse innerer Freiheit – zur informellen Periode von Peppino Wieternik" in Weg und Wende 1974

Presseinformation der Galerie Hofstätter zur Ausstellung "Aufschrei" 1996

Albert Paris Gütersloh Auszug aus "Vorwort zur Ausstellungseröffnung Peppino Wieterniks in der Kleinen Galerie" 1957

Linien und Farben - den Worten nicht gleich, aber ähnlich -, mit deren Hilfe Gestalt und Sinn der Schöpfungsdinge jederzeit vergegenwärtigt werden können, schrumpfen auf eine Art Notenschrift ein, die Jene, die sie sehend zu hören vermögen, nur noch die von diesen Dingen verursachten Gefühle empfinden läßt: der Weg des abstrahierenden Zeichnens, Malens, Modellierens läuft also dem des schon ab initio abstrahierenden Musikmachens parallel, allerdings mehr der Absicht als dem Effekt nach.

Es ist nun sehr lehrreich zu sehen, wie aus dem Logogramm - so wollen wir das gegenstandhafte Bild behelfsweise nennen - das Ideogramm sich entwickelt, wie für die Bezeichnung der Dinge ein Zeichen gesetzt wird, verwandt zum Beispiel dem Verkehrszeichen, das die verschiedenen Verkehrsmittel, jetzt zu einer stillstehenden, jetzt zu einer sich bewegenden Einheit zusammenfaßt; das individuell Gewollte dem allgemein Gesollten unterordnend. Analog dieser Zeichensprache, die nur zum Verkehrsteilnehmer redet, und zwar so, als sei er nur ein solcher, als hätte er an nichts sonst Teilhabe, als ginge oder führe er nur zum Zwecke des Gehens oder Fahrens, um das Ansich der Ruhe und der Bewegung zu erleben, entstand und entsteht weiter, in den Künsten eine Sprache, die an nichts als Sehende sich wendet (oder sie erst konstituiert), an Wesen also, die nicht ein Zusehendes, sondern das Sehen selbst genießen wollen. Und daß sie dieses Ziel erreichen, und kein gewohntes Etwas doch noch vor es sich stelle, muß der unvermeidliche Gegenstand bis zur Nichtmehrerkennbarkeit unter seiner früheren Bezeichnung verändert werden. Erst dann öffnet sich die Pforte zum Pseudomusischen des Zeichnens, Malens, Modellierens, ist die Möglichkeit zum unendlichen Variieren der nicht abbildhaften, keine Ähnlichkeit mit einem wirklich existierenden Originale verpflichteten Themen, gegeben.

Die Großen, Braque oder Picasso - von diesen aber Braque, der Tiefere und daher Stillere (auch Aphoristiker von Rang) - sind nicht zu unserer Hand, um die ihre uns weisen zu können. Und wären sie in kostbaren Stücken da, würden wir nur Stationen sehen und nicht die ganze Bahn. Und so ist es gut, daß hier als Schulbeispiel für die neue Schule eine Kollektion von Bildern des jungen Malers Peppino Wieternik hängt, der gleichsam als Externist den bedenklich angewachsenen Lehrstoff nachholt. So gibt er uns jene Gelegenheit, die die Vorgenannten uns nicht geben: die Entwicklung der oben kurz dargestellten Doktrin vom gestrigen Anfang an bis zum heutigen Ende zu verfolgen. Eine Gelegenheit, über welche noch nicht das Odium der Berühmtheit dessen schwebt, der sie bietet, und der daher auch nicht mit seiner bereits sieghaften Person die noch unentschiedene Sache vernebelt.

Dem ehrlich strebenden Peppino Wieternik, der über ein gediegenes akademisches Können verfügt - sohin ohne Zweifel aus einem zureichendem Grund den üblichen Gebrauch von demselben nicht macht - wird das Publikum am Besten dienen, wenn es seine Arbeiten so betrachtet, als hätten sie keinen bekannten Urheber, als seien sie unmittelbar aus dem Fruchtboden der Doktrin gewachsen.
Wieternik (1974): Weg und Wende S. 35