Prof. Peppino Wieternik
1919 - 1979

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Texte zum Künstler



Texte zum Künstler

Albert Paris Gütersloh "Vorwort zur Ausstellungseröffnung Peppino Wieterniks in der Kleinen Galerie" 1957

Peter Baum "Zeugnisse innerer Freiheit – zur informellen Periode von Peppino Wieternik" in Weg und Wende 1974

Presseinformation der Galerie Hofstätter zur Ausstellung "Aufschrei" 1996

Peter Baum "Zeugnisse innerer Freiheit – zur informellen Periode von Peppino Wieternik"

Spätestens seit Beginn der sechziger Jahre, der Entstehungszeit einiger seiner besten Bilder, zählt Peppino Wieternik zu den wenigen österreichischen Künstlern, die sich mit überzeugender Konstanz jenen bildnerischen Möglichkeiten und Gestaltfindungsprozessen zuwenden, die man – zumindestens zum überwiegenden Teil – dem Informel zuordnen kann. Sicherlich: Das „action painting“ der Amerikaner, die um 1950 in Tropfenmanier unter Ausnützung gesteuerter Zufälligkeiten entstandenen „drippings“ eines Jackson Pollock, sind an Wieternik nicht spurlos vorbei gegangen. Wieternik war jedoch nie ein bloßer Imitator des damals über die ganze westliche Welt verbreiteten, in den USA und Paris geradezu Schule machenden Stils. Er war aber auch ebenso wenig ein ausgesprochener Tachist und reiner Fleckenmaler, sondern ein sensibler, rasch reagierender, wissbegieriger Künstler, der die grundlegenden Impulse dieser Richtung aufnahm und seinen bildnerischen Absichten unterzuordnen verstand. Nicht Tachismus als Selbstzweck und modische Attitüde, sondern als Basis eines neuen Selbstverständnisses von malerischer Freiheit waren sein Anliegen und subjektiver Gewinn.

Wieternik interessierte vor allem die, das action painting charakterisierende, freizügige und dennoch kontrollierte, den selbstgewählten, - im Bild objektivierten – Gesetzmäßigkeiten unterworfene malerische Methode. Als er gegen Ende der fünfziger Jahre erstmals Malereien des 1948 in New York durch Selbstmord geendeten Ashile Gorky sah, fand er sich in seinem Anliegen durch die Meisterschaft des gebürtigen Armeniers bestätigt. Vorübergehende tachistische Effekte wurden von da an in Wieterniks Bildern und Gouachen immer seltener und deutlich zurückgedrängt. An ihre Stelle trat eine im Sinne handschriftlicher Motorik und großzügiger malerischer Gestik bestimmte, auf Gestaltungszusammenhänge bedachte Vorgangsweise. Sie besaß ihren Ausgangspunkt in der menschlichen Figur als freie Assoziationsbasis und Ausgangspunkt spontanen bildnerischen Vollziehens.

Als Angehöriger jener Generation, die dem 2. Weltkrieg in vielerlei Hinsicht Tribut zahlen musste, hatte der 1919 Geborene an der Wiener Akademie der bildenden Künste jenes solide handwerkliche Fundament mitbekommen, das zunächst die nach Ausbildung und Anschauung erwartungsgemäßen Entwicklungsstadien des Akademischen Malers bestätigte. Das eigentliche künstlerische Freispielen gelang Peppino Wieternik jedoch erst später mit der konzentrierten Hinwendung auf die dem Informel im erläuterten Sinn zugeordneten Methode.

Für einen Großteil seiner Werke ist das auffallende Spannungsverhältnis zwischen reiner Malerei und stärker graphisch betonten Elementen charakteristisch. Dies gilt vor allem für eine Reihe 1960 entstandener farbiger Zeichnungen, die im allgemeinen den figürlichen Ausgangs- und Anhaltspunkt deutlicher erkennen lassen als die größeren Abstraktionen, gemalt mit Ölfarben oder Kunstharz auf Leinwand. In Wieterniks Graphiken vollzieht sich – so es sich nicht um reine Schwarzweißblätter handelt – das zeichnerische Geschehen zumeist auf monochrom nuancierten Gründen. Zeichnung und Hintergrund verschmelzen dabei jedoch weniger als in den wesentlich expressiveren Bildern, in denen das vehemente malerische Geschehen verschiedenartigste Raumwirkungen erzeugt. Wieternik erweist sich in diesen großen Formaten als Vollblutmaler kraftvoller persönlicher Rhythmik. Seine Bilder besitzen Vitalität und Großzügigkeit. Die klare Ordnung ihrer Konzeption lässt dabei das Detail voll zur Geltung kommen. In spontan gesetzten Farbkringeln, Verläufen, Überlagerungen, gelegentlichen Farbspritzern und stärker flächig gemalten, ruhigen Bildpartien überträgt Peppino Wieternik – temperamentvoll improvisierend – seelische Zustände, Augenblicke der Intuition und eines mitunter beinahe automatisch ablaufenden künstlerischen Handelns auf die Fläche. Diese Vorgänge verdichten sich in der Summe ihrer Aspekte und Spannungen zum eigentlichen Bild und Bildgeschehen, das selbstgewählten Gesetzmäßigkeiten gehorcht. Die Malerei des Wieners trifft sich darin mit der Theorie der führenden internationalen Künstler des Informel. Bei aller Subjektivität im malerischen Vollzug unterliegt sein Schaffen somit jenen vergleichbaren Kriterien, die - unter Voraussetzung entsprechenden, künstlerischen Verstehens und Vermögens und nicht modischer Effekte wegen - als entscheidendes Bindeglied für die Vorgangsweise und Grundhaltung genannt werden können, welche die freie Abstraktion insgesamt kennzeichnet und objektiviert.

Der Grad und die Art gegenständlicher Assoziationen und eventuellen Abhängigkeiten (so mitunter in Richtung sehr freier "Stilleben") spielt für die Beurteilung der Malerei selbst bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Wieterniks vitale malerische Zeugnisse (darunter so maßgebende Bilder wie "Die Sonne rinnt über meinen Körper") halten nicht nur im formalen Vollzug stand, sondern auch in der Übereinstimmung dieser Werte mit der ihnen vorausgehenden inneren Einstellung. Ernsthaftes Bemühen um ein Ziel, von dem man zwar überzeugt ist, das es jedoch von Bild zu Bild neu zu erreichen und ergänzend zu erkennen gilt, bedeutete Peppino Wieternik stets mehr als die Flucht in handwerkliche Routine und künstlerische Opportunität. Seine logische, einen Zeitraum von rund eineinhalb Jahrzehnten umspannende Reihe von Abstraktionen ist - als Schwerpunkt seines bisherigen Oeuvres - gerade auch unter diesem Aspekt zu sehen und in der erfreulichen Fülle ihrer Erscheinungen differenzierend zu werten.
Wieternik (1974): Weg und Wende S. 60ff